Die Krankheit ALS legt auch bei mir keine Pause ein und schreitet langsam voran. Die körperlichen Beeinträchtigungen nehmen zu und ich muss mich immer neuen Herausforderungen stellen. So habe ich immer mehr Mühe, mit der Hand, die Tetragabel auf der Rollstuhlsteuerung zu erreichen. Hier werde ich kleinere Anpassung veranlassen müssen. Das sollte kein Problem sein. Meine Lautsprache hat sich ebenfalls verschlechtert. Es wird immer schwieriger, meine Ansichten / Meinung in Diskussionen einzubringen und diese auch wortreich zu vertreten. Einige Buchstaben kann ich gar nicht mehr artikulieren. So kann ich mit der Zunge kein "R" mehr rollen. Aus rollen wird dann eben lollen. Aber warum sollte die Krankheit ALS bei der Lautsprache halt machen? ALS-Betroffene verlieren im Verlauf der Krankheit ihre, in Kindertagen mühsam erlernten Bewegungsabläufe. Wäre da nicht unser Verstand, an dem sich die ALS die Zähne ausbeisst, könnte ich von einer Rückentwicklung schreiben. Steh-, Lauf- und Sitzunfähigkeit, Streck- und Greifunfähigkeit, Sprechunfähigkeit, Unfähigkeit über Mund zu essen und zu trinken, Spezialslips tragen oder eine andere Art den Urin aufzufangen, Abbau des Lungenmuskels. Dies ist nur ein Teil, was ALS-Betroffene im Verlauf der Krankheit erwartet.
Einige dieser Rückschritte können mit geeigneten Hilfsmitteln aufgefangen werden. Für die Symptombekämpfung, wie Spastik, Speichelfluss, Atemnot usw. kommen Medikamente zum Einsatz. Ein Heilmittel gibt es leider immer noch nicht. Und irgendwann, meistens nach 3 - 5 Jahren, mag der Körper oder der Geist, all die Strapazen nicht mehr tragen und hört auf zu kämpfen.
Meinen Einschränkungen und den Hochs und Tiefs zum Trotz, geht es mir nach wie vor sehr gut und ich habe noch immer eine riesen Freude am Leben.
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Während am Morgen die Kondensstreifen der Flugzeuge rot waren, sind sie am Abend nun weiss. Die weissen Wolken vom Morgen sind hingegen nun rötlich eingefärbt. Wolken sind faszinierend. Sie sind ständig in Bewegung und verändern dadurch ihr Aussehen. Mal sind sie flach und fast durchsichtig, mal aufgebläht und schneeweiss. Am liebsten würde ich sie anfassen. Doch ich würde ins Leere fassen. Sie sind sichtbar und doch nicht fassbar. Diese dauernd wechselnden Formen und Farben, eine malerische Meisterleistung. Die Künstler: Sonne, Wind und Wasser. Im Rollstuhl sitzend, den Blick nach Oben gerichtet, beobachte ich so manchesmal das faszinierende Schauspiel am Himmelszelt.
7. Das Bild unten zeigt angeschneite Urner Berge vom 6. September. Gegensätzlicher könnten das obere und das untere Bild kaum sein. Die Temperaturen sind innerhalb von zwei Tagen rasant gesunken und es ist merklich kühler geworden. Die Wolken sind weder weiss noch rot, sie zeigen sich schwer und grau.

Meine Medikamentöse Behandlung wird weiter angepasst. So bekomme ich wegen der schmerzhaften Spastik und der Sehnenverkürzung in den linken Fingern, in Kürze eine Botox-Injektion in den Armmuskel. Die KK muss jedoch noch die Zustimmung geben. Weiter nehme ich Sativa-Öl zu mir. Es lindert die Spastik und hält meinen Gemütszustand auf einem guten Level. Ich war schon immer eine Frohnatur und das will ich auch bleiben.
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9. So schön. Jetzt, am späten Nachmittag, lässt sich die Sonne doch noch blicken. Erstaunlich, nach dem regenreichen und wolkenverhangenen Tag. Interessant zu beobachten, wie sich die schweren, dunklen Regenwolken, immer mehr aus den Tälern zurückziehen und die Berge zum Vorschein kommen. Die Wolken wechseln vom düsteren Grau zu Weiss. Wobei einige auch einen Hauch von Gelb und Rot in sich tragen. Die Sonne hat die Wolkendecke aufgerissen und zum Vorschein kommt ein wunderschön blauer Himmel. Sofort wird es heller und freundlicher. Alles öffnet sich und wird leichter.
12. Das schöne Wetter hat mich auch heute wieder in den Garten gelockt. Während mein Mann die restlichen Bäume und Sträucher zurückschnitt, ging ich im Garten auf Erkundungsfahrt. Ich finde immer etwas, was sich lohnt, betrachtet zu werden. Die Eidechsen sind auch immer noch unterwegs. Während sich einige Tiere langsam in den Winterschlaf begeben, verfallen Eidechsen in die sogenannte Winterstarre. Ihre Körpertemperatur steht in Abhängigkeit zur Aussentemperatur. Die meisten werden bei Frühlingstemperaturen wieder aktiv. Ist die Kälteperiode zu lang und die Temperaturen zu tief, erwachen einige nicht mehr aus der Starre. So ein Hinübergleiten wünscht sich wohl so mancher. Heute durfte ich noch ein „Käfer“, mit einer schönen Zeichnung auf dem Rücken, beobachten. Mittlerweile habe ich mich schlau gemacht. Es handelt sich bei Ihr / ihm um eine Amerikanische Kieferwanze. Die ausgewachsenen Wanzen überwintern an geschützten Stellen und gelangen bei ihrer Suche nach einem geeigneten Platz auch mal in Wohnungen. Die Kieferwanze beisst nicht und ihre „Stinkdrüsen“ verströmen einen angenehmen, apfelartigen Duft. Ich durfte heute auch ein Grille zirpen hören. Leider habe ich, trotz langem Suchen, das „Grillenloch“ im Rasen nicht gefunden. Dafür konnte ich von „meinem“ Gartenhäuschen aus beobachten, wie sich ein Eichelhäher mit einer unserer Baumnüsse im Schnabel, kurz in unserem Garten hinsetzte. Ein Vogel mit wunderschöner Gefiederzeichnung. Mit den auf zwei Seiten liegenden Fenster im Gartenhaus, habe ich Blick in den Garten, mit den noch immer reichlich blühenden Blumen und auf die Berge und den Himmel. Einfach schön.
28. Obwohl ich heute übertrieben warm geduscht wurde und ich bereits zwei Therapien (Logo u. Ergo) hinter mir habe, sitze ich nun mit einem kalten Nasenspitz vor dem PC. Nachdem uns die Sonne wieder ein wunderschönes Wochenende bescherte, hat das Wetter nun gewendet und es ist merklich kühler geworden. Anscheinend hat sich unsere Heizung von den kühleren Temperaturen überraschen lassen und hat es verpasst, mehr Wärme zu produzieren. Früher, das heisst, bevor die Krankheit ALS in meinem Körper ein Zuhause suchte, ertrug ich die Kälte sehr gut. Auch jetzt noch geht es lange bis ich kalt habe. Wenn ich sie dann spüre ist es schon zu spät. In meinem Körper setzt sich ein Vorgang in Bewegung. Die Kälte breitet sich, ähnlich wie eine Brausetablette, von innen nach Aussen aus. Dieser Vorgang kann ich meistens nur stoppen, wenn ich mich mit Bettflaschen und Hirsekissen unter die Bettdecke lege. Was ich auch machen werde, sobald mein Mann von seiner Arbeitsstelle zurückkehrt. Natürlich habe ich Assistenzpersonen angestellt, doch die Assistenzstunden der IV reichen bei weitem nicht aus, um alle Stunden abzudecken. So muss ich dementsprechend mit den mir zur Verfügung stehenden Stunden haushalten, was auch bedeutet, einige Stunden auf mich allein gestellt bin. Für mich hat das Alleinsein auch seine Vorteile. Krankheitsbedingt habe viele Menschen um mich, da geniesse ich es dann zwischendurch sehr, meine Privatsphäre zu pflegen.
Ich habe mir ein sehr gutes Unterstützungs-Team von Assistenzpersonen, Spitex, Therapeuten und Freunden aufgebaut. Die meiste Unterstützung leistet jedoch immer noch mein Mann. Ohne ihn wäre das Leben in den eigenen Vier Wänden komplizierter.
Meine Assistenzpersonen zählen mittlerweile zu meinen Freunden. Wir haben viel Spass miteinander. Das fängt schon bei der Morgenpflege an. Ich mache den Transfer immer noch übers Stehen. Wobei ich manchmal wortwörtlich an eine Wand gestellt werde. Dies funktioniert auch sehr gut. Wenn aber meine Pflegeperson, wie Heute auf die Idee kommt, mir einen Witz oder etwas anderes Lustiges zu erzählen, wird’s mit dem Stehen kritisch. Ich musste so lachen, dass mein Oberkörper begann, sich nach vorne zu neigen. Ausserdem stand ich aufgrund der Lachtränen fast blind an der Wand. Wer mich kennt weiss, dass ein Lachanfall bei mir schwer zu stoppen ist. Irgendwie haben wir es dann doch geschafft, mich in den Rollstuhl zu setzen.
Wie jedes Jahr um diese Zeit, beginne ich wieder mit der Einnahme von Vitamin-D-Tropfen. Sie sollen mir die fehlenden Sonnenstunden in den Wintermonaten etwas abfedern. Damit ich gut durch die kühlere Jahreszeit komme, werde ich in den nächsten Tagen zusätzlich die Grippeimpfung machen lassen. Wenn ich an kalten Tagen nicht mit kurzen Hosen und Kurzarm nach Draussen gehe, sollte ich dann gut durch den Winter kommen.
Inzwischen ist mein Körper auch wieder auf Normaltemperatur und meine Nasenspitze freut sich darüber.
29. Apropos Spritzen; an diesem Freitag, bei uns übrigens ein Feiertag, bekomme ich meine Botox-Spritze in einen Unterarmmuskel. Dies ist ein Versuch, meine zur Faust geballten Finger wieder besser öffnen zu können. Durch Ergotherapie konnte ich bereits eine Lockerung der Finger erreichen. Dank dieser gezielten Therapie konnte ich bereits mein PC-Maus-Brettchen vom Tisch auf meine Oberschenkel ziehen. Mit dem Botox erhoffe ich mir eine langandauernde Verbesserung. Sollte noch ein Botox-Tröpfchen übrigbleiben, überlege ich mir schon mal wohin damit. 🤔.....vollere Lippen.....Mundwinkelstraffung.....oder.....🤭