24. Ich will nochmal auf meinen gestrigen TGB Beitrag eingehen. Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass einige von euch über die Höhe meines Assistenzbudgets erstaunt sind. Darum möchte ich das Thema noch ein wenig vertiefen. Zum besseren Verständlich fange ich von vorne an und erzähle euch meine Assistenzbudgetgeschichte.
Im Jahre 2004 war meine Krankheit soweit fortgeschritten, dass ich meine Arbeitsstelle ganz aufgeben musste. Fortan erhielt ich eine 100% IV Rente (Invalidenrente). Mit der Zeit liessen meine Kräfte derart nach, dass ich mich nicht mal selber waschen konnte. Also beantragte ich bei der IV eine Hilflosenentschädigung. Was mir nach einem Jahr Wartefrist auch gewärt wurde. Die Hilflosenentschädigung wird in 3 Hilflosigkeitsstufen eingeteilt. Leichter - Mittlerer - Schwerer Grad. Da ich nur noch wenige Dinge selber machen kann, erhalte ich die Hilflosenentschädigung schweren Grades. Dies entspricht Fr 1800.- im Monat. Diesen Betrag verwende ich für die ungedeckten Spitexkosten und für den Selbstbehalt und die Franchise der Krankenkasse. In meinem Kanton beträgt die Patientenbeteiligung an den Spitexkosten 20%. Dies ist der höchste Prozentsatz, der vom Gesetz her erlaubt ist. Abgefedert wird die Patientenbeteiligung im Kt. Uri durch eine Tagesobergrenze von Fr. 15.95. (Die zulässige Obergrenze beträgt Fr.19.95). Das macht im Monat Fr. 485.- für mich.
Seit 2012 beziehe ich einen Assistenzbeitrag der IV. Der ermöglicht mir, Personen anzustellen, welche mich im Alltag unterstützen. Dank diesem Beitrag ist es mir möglich in meinen vier Wänden wohnen zu bleiben und muss nicht in ein Altenpflegeheim.
Wie wird der Assistenzbetrag errechnet: Jede Tätigkeit in meinem alltäglichen Leben wird von der IV penibel genau angeschaut. Es wird geschaut bei welcher Tätigkeit ich Hilfe brauche und wieviel. Dies nennt man Bedarfsabklärung.
Zwei Beispiele: Ich muss angeben wie oft ich am Tag auf die Toilette transferiert werden muss und wie lange dies jeweil dauert. Oder, wie oft brauche ich Begleitung für Spazierfahrten. Jede Tätigkeit wird in Bedarfsstufen von 0 - 4 eingeteilt. Nach diesen mehrseitigen Angaben wird dann das Assistenzbudget errechnet.
Dem Assistenzbudget werden die Stunden der Spitex abgezogen und die Hilflosenentschädigung. Da mein Mann mit mir im gleichen Haushalt lebt, wird logischerweise auch erwartet, dass er einen Teil des Haushaltes erledigt. Dafür erhalte ich nicht ein ganzes Jahr die Assistenzstunden, sondern nur 11 Monate. Dies sind zurzeit eben die Fr. 4600.- sprich die 141 Assistenzstunden im Monat.
Nun zur Rechnung: 141 Std. ergeben im Tag 4.5 Std. Das heisst, ich verbringe trotz meiner starken, körperlichen Einschränkungen einige Stunden am Tag allein. Obwohl ich mich manchmal verschlucke, mich eine Mücke sticht oder ich zwischendurch etwas "Süsses" möchte, so liebe ich auch die Zeit des Alleinseins.
Zurück zur Rechnung. Wenn ich nun die 141 Std. durch die Fr. 4600.- teile, ergibt das ca. Fr. 32.90. Dieser Betrag steht mir für 1 Std. Assistenzarbeit zur Verfügung. Davon bezahle ich den Lohn der Assistenzperson inkl. aller Sozialabgaben und Versicherungen.
Zum Vergleich: Für die Grundpflege werden von der Spitex pro Stunde (nach Abzug des Subventionsbeitrages vom Kanton) Fr.54.60 berechnet. Kommen pflegerische Handlungen, wie Medikamente eingeben dazu, wird dies mit Fr 65.40 berechnet.
Am Ende jedes Monats muss ich die geleisteten Stunden meiner Assistenzpersonen an die IV übermitteln. Anhand dieser Angaben wird mir der Betrag für die Löhne zugeschickt. Ich kann also nicht einfach über die Fr. 4600.- verfügen. Ich muss alles belegen und darin besteht auch die Kontrolle seitens der IV.
Ich hoffe, ich konnte euch Lesern vermitteln, dass der Assistenzbeitrag für uns Betroffene so wichtig ist und wir mit diesem Modell auch Kosten sparen.
Wünschenswert wären solche Modelle auch für Personen im AHV Alter, welche ebenso auf Hilfe angewiesen sind. Viele Personen könnten damit den Heimeintritt hinauszögern. Meinen vorausgegangenen Ausführungen zufolge, könnten die Gesundheitskosten zumindest ein wenig gesenkt werden.
Ich wünschte mir viele verschiedene Betreuungs-, Pflege-, Unterstützungsformen. Mehr Offenheit für Neues, Flexibilität und Probierfreudigkeit.
(Die eingesetzten Zahlen können +/- abweichen)
29. Judihui! Ich freu mich so. Soeben hat die Sonne ein Loch in die Wolkendecke gebrannt und nun fallen die ersten Sonnenstrahlen in mein Zimmer. Es wird Zeit aufzustehen um mit der Sonne zu strahlen. Heute werde ich die warmen Kleider wieder in den Sommerschlaf schicken und die luftig, bunten Kleider in die Sonne entführen.
31. In letzter Zeit muss ich meine Rollitouren gut einteilen um nicht von Gewittern überrascht zu werden. Damit ich nicht nass werde, muss ich den Blick ab und zu zum Himmel schweifen lassen. So kann ich die aufziehenden Gewitterwolken frühzeitig wahrnehmen und mich in Sicherheit begeben. Trotzdem bleibt mir auf meinen Rollitouren noch genügend Zeit, mich der Umgebung zu widmen. Wenn ich in der Natur unterwegs bin, lebe ich auf. Ich bestaune die wunderschönen Blumen am Wegesrand. Beobachte die Insekten, die von Blüten zu Blüte fliegen um sich am Nektar zu laben. Wenn mir dann noch der Duft von frischem Heu in die Nase steigt, dann ist die Glückseligkeit nicht mehr weit. Auch wenn ich gelegentlich auf naturbelassenen und abschüssigen Wegen unterwegs bin, so liebe ich es sehr, auch alleine Unterwegs zu sein. Ganz alleine bin ich ja selten. Ich treffe auf Wandersleute, auf Biker und auf Rollifahrer. Mit denen halte ich dann meistens ein Schwätzchen. Manchmal muss ich auch mal zum durstlöschen herhalten. Mache ich ja gerne. Wenn nur der Einstich nicht so piksen würde. Aber was soll’s. Es gibt schlimmeres als so ein Brämästich / Bremsenstich.
Am Sonntag war es mal wieder an der Zeit, einen Berg zu erklimmen. Ich fuhr mit dem Rolli in eine Nachbargemeinde und lies mich mit der Seilbahn auf etwas über 1000 m ü.M. bringen. Bei der Bergstation Haldi angelangt, fuhr ich mit dem Rolli gleich noch ein wenig weiter in die Höhe. Auf dem Haldi habe ich Blick auf viele Urner Berge. Wenn ich dann nach unten schaue, sehe ich einen grossen Teil des Urner Talbodens und den Vierwaldstättersee. Mit dem Rolli fahre ich dann Bergwärts. Die Strasse ist steil und kurvig, aber asphaltiert. Der Weg führt an Gehöften mit steilem Wiesland vorbei. Ich begegne rauschenden Bergbächen und fahre durch wohlriechende Wälder. Die Bergstrasse darf von Motorfahrzeugen nur mit einer Bewilligung befahren werden. Ausser Vogelgezwitscher und mitunter einem rascheln im Unterholz, höre ich nichts. Ich mag diese Stille. Doch manchmal wünschte ich mir einen Hund an meiner Seite. Als Frau, alleine in der Abgeschiedenheit, fühle ich mich manchmal dann doch schutzlos. Trotzdem möchte ich nie, auf diese Freiheit verzichten müssen.
Bei der Rollitour am Samstag habe ich die volle Batterieladung aufgebraucht. Mit dem letzten rotblinkenden Strich habe ich es gerade noch Nachhause geschaft. Und am Sonntag habe ich es gerade ins Haus geschaft, bevor der Hagelzug über uns hinweg zog. Anscheinend brauche ich diese Herausforderungen. Sie halten mich lebendig.